Ball im Savoy ist Aufführung des Jahres 2012/13
Die Mitglieder der TG Berlin haben die Inszenierung „Ball im Savoy“ der Komischen Oper Berlin zur „Aufführung des Jahres“ der Spielzeit 2012/13 gewählt. Die Preisverleihung fand am 17. Januar 2015 in der Komischen Oper im Anschluss an die Vorstellung statt.
Die Operette „Ball im Savoy“ von Paul Abraham wurde inszeniert von Intendant Barrie Kosky. Es spielen Dagmar Manzel, Helmut Baumann, Sarah Bowden, Peter Renz, Christoph Späth u. a. Die musikalische Leitung hat Adam Benzwi.
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Preisverleihung „Aufführung des Jahres 2012/13“ an Ball im Savoy
Der nachdenklichste Moment des Abends stammt garnicht aus dem Ball im Savoy. Da treten Archibald und Bébé, die für alle Zeiten zum Dienen, zu einer Existenz im toten Winkel Verdammten, wie Sartresche Gespenster aus dem Schatten ihrer überdrehten Herrschaft und singen leis und jiddisch „Pardon, Madame“ aus Paul Abrahams „Viktoria und ihr Husar“. Das ist es, was mit der Vernichtung der zentraleuropäisch-jüdischen Operette verloren ging: die Diskretion des Herzens. Peter Renz und Christiane Oertel, nur von unten beleuchtet, Schlagschatten im Gesicht, wehen uns wie aus dem Jenseits an: Nacht über Europa. Barrie Kosky macht aus dem einst berühmten Richard-Tauber-Walzer eine Gedenkminute für die ermordeten Juden.
Etliche der Besucher, die sich nach der fast dreieinhalbstündigen, turbulenten Festvorstellung ergriffen aus den Sesseln erhoben, um dem Ensemble der Komischen Oper für eine denkwürdige Aufführung zu danken, dürfte auch die triumphale Rückkehr eines vertriebenen Komponisten in die Stadt seiner einstigen Erfolge bewegt haben.
Dabei wird Kosky nicht müde zu betonen - auch in seiner Dankesrede für die Auszeichnung „Aufführung des Jahres 2012/13“ der TheaterGemeinde Berlin wieder -, dass er seine Inszenierung um Gottes Willen nicht als Wiedergutmachungsprojekt oder „Schuldproduktion“ verstanden wissen wolle. Für ihn ist „Ball im Savoy“ von 1932 ein Berliner Meisterwerk: Eines, das den spezifischen Jazz-Klang der Großstadt wie kein zweites eingefangen habe. Es feiere die anarchische Vitalität und Queerness der internationalen Schmelztigel-Metropole und artikuliere damit auch das heutige Selbstverständnis und Lebensgefühl. Kein Wunder, dass einem Koskys lauter, schneller Regenbogen-Ball denn auch wie ein kostümlich nur leicht retroisierter CSD im Savoy vorkommt.
Diese frech-frische Aktualisierung aber beschert der Produktion nicht nur volle Häuser, sondern auch den Publikumspreis der TheaterGemeinde. 43 % ihrer abstimmenden Mitglieder haben für die Roaring-Thirties-Version der Straußschen „Fledermaus“ (Ehefrau erteilt fremd gehendem Ehemann inkognito auf einem Ball öffentlich eine Lektion) votiert, die Kosky politisch herrlich inkorrekt „viel besser“ als das Original findet.
Harald Engler vom Vorstand der TheaterGemeinde Berlin gestand in seiner Laudatio, er als eingefleischter Wagnerianer hätte sich vor 30 Jahren nicht träumen lassen, von einer Jazzoperette einmal derart begeistert zu sein. Er dankte im Namen der TheaterGemeinde allen Beteiligten für den „magischen Abend“ und die ihrerseits bedankten sich mit einer Zugabe: „Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände.“ Anschließend nutzten die restlos hingerissenen Mitglieder der TheaterGemeinde den traditionellen Empfang wieder, um bis lange nach Mitternacht mit den Stars der Produktion ins Gespräch zu kommen. Dagmar Manzel und Christoph Späth, das strahlende „hohe Paar“ der sich liebend ewig Streitenden, genossen das Bad in der Menge ihrer Verehrer ebenso wie Sarah Bowden und Helmut Baumann als wunderbares Buffo-Paar sowie all’ die vielen anderen Beteiligten. Boris Kehrmann