Die Dreigroschenoper - Aufführung des Jahres 2021
Die Mitglieder der TheaterGemeinde Berlin haben die Inszenierung „Die Dreigroschenoper“ zur Aufführung des Jahres gewählt.
Die Mitglieder der TheaterGemeinde Berlin haben Barrie Koskys Neuinszenierung von „Die Dreigroschenoper“ am Berliner Ensemble zur Aufführung des Jahres 2021 gewählt.
„Die Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht (Text) und Kurt Weill (Musik) unter der Mitarbeit von Elisabeth Hauptmann wurde inszeniert von Barrie Kosky, die Musikalische Leitung hat Adam Benzwi. Die Inszenierung hatte ihre Premiere am 13. August 2021 im Berliner Ensemble, dem Ort der Uraufführung, und feierte im Juni bereits die 50. Vorstellung. Es spielen Nico Holonics, Cynthia Micas, Tilo Nest, Constanze Becker, Kathrin Wehlisch, Laura Balzer, Bettina Hoppe, Josefin Platt u. a.
Den Publikumspreis Aufführung des Jahres vergibt die TheaterGemeinde Berlin seit 1982. Zu den Preisträgern der vergangenen Jahre zählen u. a. „Cry Baby“ / Deutsches Theater (2019), „Anatevka“ / Komische Oper Berlin (2018) und „Professor Bernhardi“ / Schaubühne am Lehniner Platz (2017).
Die Preisverleihung fand am 18. September 2022 im Rahmen einer Festvorstellung im Berliner Ensemble statt.
Bei dem Preis handelt es sich um eine künstlerisch gestaltete Urkunde im Plakatformat. Sie wurde im klassischen Buchdruck (Letterpress) von der Druckerei Bölling gedruckt.
Konzept & Gestaltung: Patrick Marc Sommer
typoint [www.typoint.com]
Illustration: Alexandra Turban
[www.alexandraturban.de]
Laudatio zur Preisverleihung, gehalten von Renate Jungehülsing
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder und Freunde der Theatergemeinde:
„Wie das klappt“, schrieb der berühmte Theaterkritiker Alfred Kerr in seiner Besprechung der Uraufführung der Dreigroschenoper, die am 31.8.1928 hier im Haus stattfand, im Berliner Tageblatt. „Wie, fast andauernd, Unterhaltendes vorfällt.“ Fast hundert Jahre später könnte man, am gleichen Ort, das genauso sagen. Und es sagt sich so leicht: es klappt. Was meint das denn?
Es bedeutet, dass der Rhythmus stimmt, dass Songs und szenisches Spiel ineinandergreifen in genauem Timing, es bedeutet, eine große Maschinerie so aufeinander abzustimmen, dass Leichtigkeit und Beschwingtheit entstehen – auf der Bühne wie im Zuschauerraum. All das klappt in Barrie Koskys Inszenierung.
„Weill hat es lieblich vertont, ja, sehr fein in der Grobheit mit Jazz und Kitsch und Orgelharmonium und Leierkasten“, heißt es bei Kerr weiter – und hier mag man ergänzen: großartig, wie Adam Benzwi das ins Spiel einbezogene Orchester dirigiert, wie die Musik, drei Stunden lang, Stimmung schafft und hält.
Es gibt schnellere und langsamere Momente, es gibt Schwindelerregendes und Schräges, es gibt den Mond über Soho, Langeweile gibt es nicht. Und all das, obwohl uns psychologische Tiefe verweigert wird von Brecht - und auch von Berrie Kosky. In die Höhe wird geklettert auf dem Gerüst, in der Breite wird leichtfüßig geturnt. Theater wird zweidimensional, verführt uns von der Rampe aus.
Meister dieser Verführung sind: Nico Holonics schillernder, beweglicher, manchmal bowiehafter Mackie Messer mit beringten Händen; das überwältigend kalte Peachum-Paar, Constanze Becker und Tilo Nest, das geschäftsmäßig über Leichen geht; Cynthia Micas schicke Polly, die von Anfang an weiß, wann - und wie - man das Rüschenkleid und wann - und wie - das Business-Outfit tragen muss; sowie das gesamte Ensemble, das sich dem Ganzen, das da so stimmig klappt, unterordnet.
Plötzliche Tiefe ins Entertainment bringt – für wenige Momente - Bettina Hoppe als Spelunken-Jenny, auf einmal glitzert nichts, es wird ernst und Verrat ist kein Spiel mehr. Ein Moment, der alles still werden lässt und alle berührt. Doch schnell geht der unendliche Spaß weiter bis zum Happy End, an das wir nicht glauben können.
Ist Kunst hier dann doch Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit zu sein? Mögen berufenere Geister darüber entscheiden – hier können wir berichten, dass abgestimmt wurde vom Publikum: Die Mitglieder der Theatergemeinde haben entschieden: Diese verführerische, leichte, beschwingte, im besten Sinne unterhaltende Dreigroschenoper, die fein ist in der Grobheit, ist mit deutlicher Mehrheit die Aufführung der Spielzeit 2021/22.
Wir danken Berrie Kosky und dem famosen Ensemble, wir danken Adam Banzwi und den großartigen Musikern für diese Aufführung, bei der alles klappt und, fast andauernd, Unterhaltendes vorfällt.
Renate Jungehülsing
Stellvertretende Vorsitzende
TheaterGemeinde Berlin e. V.